Davids Selbsterkenntnis

2 Sam 11 Bathseba

Montmirail, 23.2.2025

«Du bist der Mann! Du bist die Frau!» Es gibt in jedem Leben diesen Moment der Wahrheit,

an dem wir uns nicht mehr verstecken können. Bei manchen kommt er einmal und verändert ein Leben für immer. Die Krise in der Lebensmitte kann eine Auslöserin sein.

Andere erleben diese Momente wiederholt. Sie sind selten angenehm, aber immer sind sie heilsam.

Paulus redet davon, dass am Ende «das Werk eines jeden sichtbar werden, offenbar werden wird

(1 Kor 3,13)». Er meint das Gericht.  Es kommt darauf an, was wir aus unserem Leben machen.

David erlebt das Gericht schon heute. Für ihn wird jetzt sichtbar und offenbar, was er getan hat. Nathan hält ihm den Spiegel vor. Die ungeschminkte Wahrheit. Es ist schrecklich, was David tut.

Wie er seine Macht missbraucht und die Frau in sein Bett zwingt.

Es ist eine ganz furchtbare Geschichte von Macht und Unterdrückung und von einer Vergewaltigung.

Der Raub der Bathseba bedeutet den Wendepunkt in der Biografie Davids. Das Kind, das aus dem Übergriff hergeht, wird sterben. Nathan wird David ausrichten, dass Gott ihm vergibt. Bathseba wird später Salomo zur Welt bringen, den sagenhaft weisen und reichen Nachfolger Davids. Aber bei David zerbricht etwas. Seine Macht beginnt zu bröckeln, sein eigener Sohn wird sich gegen ihn stellen, er wird auf weitere dumme Ideen kommen.

Wer mit Gott lebt, ist schon gerichtet, sagt Johannes in seinem Evangelium. Wer mit Gott lebt, macht sich auf den Weg, die Illusionen, die er über sich selbst hat, zu verlieren. Die schöne Fassade bröckelt, den teuren Teppich unter den Füssen zieht Gott uns immer wieder freundlich, aber beharrlich weg.

Dazu sind die Nathane und Nathalies dieser Welt da, dass sie uns ausrichten, wie Gott uns sieht. Sie sind in der Regel anstrengend und wenig willkommen. Aber sie sind ein Schatz, den Gott uns gibt, gratis und franko.

Was Gott in uns sieht, ist selten das, was wir sehen. Er sieht den Menschen, den er unbedingt wollte und unbedingt liebt. Un-Bedingt. Bedingungslos. Wir müssen nichts dazu tun, dass er uns liebt. Darum mutet er uns auch die Wahrheit zu über uns selbst.

Er sieht, wie weit wir noch entfernt sind von dieser seiner Liebe, die ohne Bedingungen ist und wieviel es noch braucht, damit wir die werden, als die er sich uns gedacht hatte.

Es gibt einen schönen Satz, und den glaube ich auch, dass Gott da ist, ganz nah an unserem Herzen. Aber wir sind nicht da, sondern rennen herum und suchen verzweifelt etwas, was wir nicht finden können, weil es da ist, bei Gott, wo wir nicht sind. Wir sind selten nah an unserem eigenen Herzen.

Was David tat, so grauenvoll es auch ist, ist nichts Neues.

Wir erinnern an die Despoten und Tyrannen unserer Tage. Ich muss sie nicht aufzählen an dieser Stelle. Ich will ihre Namen nicht nennen. Mich friert die Kälte ihrer Herzen.

Neu an David ist, im Gegensatz zu ihnen, dass er Nathan zuhört und bereut, was er getan hat.

Die Langeweile und die Macht hatten ihn blind gemacht für das Elend, das er verursachte.

Das sieht er. Das sieht er ein. Er verteidigt sich nicht, sondern kehrt um, zurück zu Gott.

Dazu sind diese Momente der Wahrheit gedacht. Dass sie ein Licht, zugegebenermassen ein scharfes Licht, auf mich und meinen Lebenswandel werfen. Ich erschrecke. Ich halte inne.

Ich lerne etwas über mich, vor dem ich bisher davongelaufen bin. Dann laufe ich nicht mehr davon, sondern werfe mich in die Arme dessen, der mir mein Leben geschenkt hat und es zurücknehmen wird, wenn der Moment dazu kommt.

Unsere Lebenszeit dient dazu, dass wir gottesfähig werden sollen. Zu diesem Prozess gehört die schmerzliche Erkenntnis, dass die Wege, die wähle, oft nicht Gottes Wege sind.

Darum ist der Augenblick, an dem ich höre: «Du bist der Mann, Du ist die Frau!»

eine Art Wachstumsschmerz auf den hin, dem ich alles verdanke.

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