Jeremia zerschlägt einen Krug


Jeremia 19 Reminiszere 24
Jeremia ist das, was man heute einen Performer nennen würde.
Ein Künstler, der mit aufsehenerregenden Aktionen auf Zustände hinweist, die verändert werden sollten, wenn die, die sie ändern könnten, es auch wollten.
Vieles lag im Argen in Jerusalem und anstatt endlich zu handeln, wurde weitergemacht, als ob nichts wäre. «Es wird etwas kaputtgehen»,
sagt Jeremia, «es wird etwas so zerschlagen sein, dass es nie mehr wie vorher sein wird».
Vieles, was die Bibel erzählt, hat mit dem sogenannten Sündenfall oder der Ursünde zu tun: Der Mensch im Paradies möchte lieber selbstbestimmt leben, als in der Abhängigkeit von Gott. Und so erzählt v.a. das Alte Testament pausenlos von den verzweifelten Versuchen der Menschen, auf die eigenen Beine zu stehen, aber sie schaffen es nicht. Ohne Gott schaffen sie nur Tod und Zerstörung.
An dieser Stelle kritisiert Jeremia eine besonders abscheuliche Praxis: Kinder werden geopfert, um die Götter gnädig zu stimmen.
Diese ruchlose Theologie bringt den Gott der Bibel richtig in Rage.
Sie sind empörend, die Menschenopfer, und sie sind nicht vorbei.
Sie ziehen sich als blutige Spur durch die Geschichte. Die Götter haben wechselnde Namen: Nationalismus oder Grössenwahn oder die eigene Haut, die ein Politiker retten will.
Dass die Behörden Jerusalems und alle anderen den Gott, der sie bis hierhin gebracht hat, nicht erstnehmen, ihn vergessen und abtun, kritisiert Jeremia an dieser Stelle mit einem einfachen Krug.
Der Lärm des zerbrechenden Gefässes hallt nach bis heute in die Chapelle von Montmirail. Es ist ein gewaltiger Hall und wir tun gut, das Scheppern zu hören.
Die Scherben sind eine Kritik. Das ist das anstrengende an der Bibel und am Glauben, dass er unbequem ist. Manchmal nervt diese ewige Fragerei, ob ich denn noch im Sinne des Schöpfers mit seiner Welt umgehe, ob ich noch im Sinne des Schöpfers mit seinen Menschen umgehe, das heisst denen, mit denen ich jeden Tag zusammenlebe. Ob ich denn noch daran denke, wenn ich esse, reise, mich betätige, dass alles, was in meinen Händen ist, von ihm kommt und darum Sorgfalt verdient?
In der Religionskritik gibt es Lieblingsthemen. Eines davon ist, dass der Glaube nur für Schwache ist; das war eine der Lieblingsideen von Friedrich Nietzsche. «Glauben», sagt er, «hindert die Menschen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sie werden schwach. Nur der Mensch ohne Gott ist stark».
Ich weiss nicht genau, was Nietzsche damit gemeint hat, denn bei uns kommen viele vorbei, die zwar durchaus ihr Leben in die Hand nahmen, es gestalten, denen aber das Leben selbst die Zügel aus der Hand nimmt. Wir erleben das auch unter uns, in unseren Familien, bei unseren Freunden. Es zerbrechen Lebensträume, es zerbrechen Beziehungen, es gehen Dinge kaputt, die doch ganz hätten bleiben sollen. Am Schluss zerbricht auch das Leben.
Wenn wir unsere eigenen Ziele zu verfolgen und der Tunnelblick sich einstellt, weil wir nichts anderes mehr sehen, braucht es manchmal jemanden, der auf den Putz haut oder eben einen Krug zerbricht,
damit wir aufwachen und wir die Welt wieder sehen, als das, was sie ist: Gottes Schöpfung.
Noch ist die Geschichte nicht zu Ende: Die, die die Macht hätten, etwas zu ändern, wollen die Botschaft nicht hören. Sie erniedrigen den Propheten und schliessen ihn in einen Block.
Auch das kennen wir aus der jüngsten Geschichte und ich will die Beispiele gar nicht aufzählen; es würde zu banal und ist doch nur böse. Lieber fasse ich an die eigene Nase und gedenke der Blöcke in meinem Kopf, in die ich schliesse, was ich nicht hören will.
Der kleine Tyrann in meinem Kopf mag es auch nicht, wenn jemand einen Krug vor seinen Augen zerbricht.
Wie alle Geschichten in der Bibel wird auch diese gut ausgehen, aber es wird dauern. Gott schenkt Zukunft und Hoffnung wird Jeremia später ausrichten. Wir brauchen den langen Atem, damit wir die Hoffnung, die Gott beharrlich in unser Herz pflanzt, nicht verdorrt.

Nach oben scrollen