Jesus heilt eine Frau, die einen krummen Rücken hat


Lukas 13, 10-17
Eine Frau ist seit vielen Jahren sichtbar behindert. Wir wissen nicht, wieso. Ist es eine Kyphosis wie Mediziner die extreme Krümmung des Rückens nennen? Oder hat sie das Leben gebeugt?
Es bleibt im Dunkeln, so wie die Frau in einer dunklen Ecke sitzt, damit sie – für die Zeit,
in der sie in der Kirche ist – sicher ist vor den Blicken, dem Getuschel und den faulen Sprüchen.
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, heisst ein Sprichwort.
Das ist eine seltsame Eigenschaft vieler Menschen, dass sie gerne auf die zeigen, die nicht sind wie sie.
Als mein Bruder, der MS hat, vor vielen Jahren mit seinen kleinen Mädchen spazieren ging mit seinem Rollstuhl, hörte er eine Frau sagen: so etwas stellt auch noch Kinder auf die Welt. So etwas ist auch die Frau, die nicht mehr aufrecht stehen kann; sie ist zu einer Sache geworden, zu einem Fall.
Jesus ruft sie, weil er hinsieht, wo andere wegschauen, weil er sich nicht damit abfindet,
dass ein paar halt Pech gehabt haben sollen. Er richtet sie wieder auf. Was für eine schöne Handlung.
Das Leben kann uns manchmal ganz schön zusammenlegen und zusammenstauchen.
Ohne Hilfe kommen wir nicht wieder gerade stehen. Wir bleiben geschlagen, gebückt, gekrümmt.
Ich glaube, dass überall wo Menschen aufstehen und sich aufrichten, Gott seine Hand im Spiel hat.
Ohne die Eingebung, die von Gott kommt, würden wir ständig alles Mögliche tun, um andere klein zu halten und uns über sie zu erheben. Damit wir grösser erscheinen, wenn wir andere klein machen.
Darum spotten Menschen auch über Behinderte, weil sie sich selbst gekrümmt und schwach und unterlegen fühlen. Wie schön, wenn einmal eine sichtbar schwächer ist! Der kann ich’s zeigen.
Extrem viele youtube-Videos handelt nur von dem: Pranks. Andere reinlegen, sie auslachen, ihre Hilfsbereitschaft missbrauchen. Es ist zum Davonlaufen. Es ist einfach in uns drin, der Neid und die Missgunst und die Schadenfreude.
Man kann sich selbst prüfen. Wer lacht, wenn einem anderen ein Missgeschick passiert, sollte hinschauen:
Wo bin ich selber krumm? Warum bin ich so schwach, dass ich über die Schwäche anderer lachen muss?
So wie Jesus die Frau aufrichtet, will er heute auch uns aufrichten, dich und mich. Damit wir als aufrechte Menschen durchs Leben gehen können. Aufrecht, nicht um auf andere hinabzusehen, sondern um die aufzurichten, die am Boden liegen.
Und die anderen in der Geschichte, die auch in der Kirche sind? Sie beginnen rumzumaulen.
Am Sonntag soll man nicht arbeiten! rufen sie. Jesus hält ihnen den Spiegel vor.
Es geht im Grunde wieder ums Gleiche. Die Jesus jetzt so heftig kritisieren, sind mit sich selbst nicht so streng. Es ist die gleiche Bewegung. Wie schön ist es, andere Fehler machen zu sehen.
Dann bin ich nicht die Einzige, die nicht perfekt ist. Endlich kommt mal eine andere dran.
Was ist bloss mit mir los, frage ich mich, dass ich so leicht sehe, wo andre nicht ganz auf der Höhe sind, vor meinen eigenen Abgründen aber die Augen verschliesse?
In diese Abgründe scheint das Licht, das Jesus ist.
In diese finsteren Ecken, in die ich mich verkrieche, blickt Jesus.
In meine finsteren Ecken blickt Jesus und holt ans Licht, was sich im Dunkel eingerichtet hat.
So ist diese Geschichte nicht bloss die Geschichte einer Frau, die vor 2000 Jahren befreit wurde, sondern auch eine Geschichte, die sehr direkt mich angeht und dich. Sie lädt uns ein, hinzusehen, wo wir selbst krumm sind, wo wir selbst unglücklich sind mit dem, was wir sind und wie wir sind, so unglücklich, dass wir andere kritisieren oder kleinmachen müssen.
Die Geschichte lädt uns ein, die eigenen Krümmungen wahrzunehmen und anzusehen, die uns für andere so schwierig machen. Die Geschichte, d.h. Jesus in der Geschichte, lädt uns ein, uns aufzurichten.
Nicht alles ist heilbar. Aber wir sind aufrechter, als wir zu hoffen wagen.

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