Was Gott uns serviert
Impuls von Carsten Albrecht
2. Korintherbrief 3.17
Der Herr aber ist der Geist, und wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit.
In meinem Glaubensleben begegnet mir immer wieder die Frage: Was kommt von Gott und was kommt von mir? Wo ist die Freiheit, von der Paulus im 2. Korintherbrief spricht, und wo ist der allmächtige Gott, der im Glaubensbekenntnis ganz oben steht?
Eine wichtige Antwort darauf lautet für mich: Gottes Allmacht ist die Allmacht der Liebe. Gott kann nichts tun außer zu lieben – und diese Liebe ist zu allem fähig, auch zu mächtigen Wandlungen von Situationen und Herzen.
Auch die Gedanken von Madeleine Delbrêl[1] sind mir eine Hilfe:
Gott serviert uns die Umstände nicht wie Fertiggekochtes, Abgeschlossenes. Er reicht sie uns so, dass wir sie vollenden, dass wir daraus seinen Willen machen können.
Gott gibt uns Aufgaben und ein Umfeld: eine Familie, einen Freundeskreis, eine Arbeit. Er gibt uns dieses Umfeld als Entwurf und nicht als etwas Fertiges. Ein Sprichwort sagt: Gott gibt die Nüsse, aber er knackt sie nicht. Wenn ich die Umstände, in denen ich lebe, als zwar gottgegeben, aber unfertig ansehe, dann tut das meiner Haltung zum Leben gut. Ich muss nicht alles selbst vollbringen – aber ich bin auch keine Marionette eines willkürlichen Schicksals. Ich darf in der Beziehung zu Gott, der mich liebt, leben. Er will in meinem Leben das A und O sein; der Kontext, in den er mich stellt, ist nachgeordnet.
Delbrêl schreibt, dass wir die Umstände vollenden und daraus Gottes Willen machen sollen. Aus den Zutaten, die der Schöpfer uns gibt, dürfen wir ein leckeres Essen zubereiten. Menschen, die gerne kochen und/oder gerne essen, können das gut verstehen. Wir sollen nicht irgendetwas daraus machen, sondern Gottes Willen.
Beim ersten Hinsehen finde ich diese Idee schwierig. Denn woher soll ich wissen, was Gottes Wille ist? Ich kann es nur erahnen, mal liege ich richtig, mal falsch. Gebet, Meditation, Bibellektüre, Austausch in Gemeinschaft und geistliche Begleitung können helfen, Gottes Willen ausfindig zu machen – eine Garantie gibt es freilich nicht.
Gott reicht uns die Umstände so, dass wir daraus seinen Willen machen können.
Beim zweiten Hinsehen erkenne ich darin einen Zuspruch: Trotz all meiner Halbherzigkeit traut Gott mir zu, seinen Willen zu erkennen und zu tun.
Madeleine Delbrêl schreibt, dass wir das vollenden können, was Gott uns unfertig gibt. Glaubensfragen sind oft kein mathematisches Gerüst, das einer exklusiven Logik gehorcht. Denn auch das Gegenteil ist richtig: Ich darf Gott darum bitten, dass er ein Werk vollendet, dass ich angefangen habe. In der Liturgie des Abendgebetes heißt es:
Gott, vollende dein Werk an uns in Ewigkeit.
Wo soll ich etwas vollenden, was Gott mir aufgegeben hat?
Welches Werk soll Gott vollenden (in meinem Leben, in der Gesellschaft, …)?
Was macht mir Mut, die Umstände meines Lebens anzunehmen oder zu verändern?
[1]Die Mystikerin Madeleine Delbrêl (1904-1964) gründete die Gemeinschaft der „équipes“ und wirkte als Sozialarbeiterin im Pariser Vorort Ivry-sur-Seine.