Weil ich eine Wette verloren hatte, brachte ich meiner Frau diesen Marzipanpriester mit, der verbilligt zu haben gewesen war, weil Silvester vorbei.

Sie meinte zu Recht, dass es sich um einen Kaminfeger handeln müsse, denn nur sie bringen Glück. Entweder vergass dieser Kaminfeger die ihn kennzeichnenden Gerätschaften zu Hause oder aber die marzipanfigurdesignende Person weist eine entscheidende Lücke in ihrer Allgemeinbildung auf. Priester bringen, anders als Kaminfegende, kein Glück oder jedenfalls nicht in jeden Fall. Wie auch immer. Ich geriet ins Grübeln, ob ich allenfalls den Beruf verfehlt hatte und besser Kaminfeger geworden wäre, anstatt Pfarrer. Immerhin unterscheiden wir uns, wie die Marzipanfigur beweist, nicht sehr in Bezug auf die Berufskleidung. Und auch die Tätigkeiten gleichen sich erstaunlich. Auch als Pfarrer steigt man anderen aufs Dach, um sie etwa zum Mitmachen zu bewegen und ständig gilt es, verstopfte Kanäle zu säubern. Vom Umgang mit Asche rede ich mal lieber nicht.

Noch bin ich zu keinem endgültigen Schluss gekommen, aber im grossen Ganzen bin ich zufrieden mit meiner Wahl.  Dass unser Berufsstand endlich auch mal gewürdigt wird in Form kleiner Marzipanfiguren war ja auch höchste Zeit. Ich bin nämlich, anders als meine Frau, immer noch der Überzeugung, dieser Mannsgoggel stelle einen Pfarrer im Talar dar.

Heiner Schubert, 19.1.24

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